Meister Nadelöhr – schnippel-die-schnappel-die-Scher‘
Für die Kleinsten funktionieren Märchen im Kinderfernsehen am besten, so die Erkenntnis des Deutschen Fernsehfunks Mitte der 50er-Jahre. In Anlehnung an „Das tapfere Schneiderlein“ wurde die Kunstfigur des „Meister Nadelöhr“ entwickelt, der seine überdimensionale Zauber-Elle dann auch schon mal als Gitarre nutzen konnte.
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Ich komme aus dem Märchenland
schnippel-die-schnappel-die-Scher‘!
Bin allen Kindern wohlbekannt
und reiste weit umher.
Die schönsten Märchen kenne ich
und alle Kinder freuen sich,
schnippel-die-schnappel-die-Scher‘,
auf Meister Nadelöhr!
- Das Spiel ist aus, ich muß nun gehn,
schnippel-die-schnappel-die-Scher‘,
und sage euch auf Wiedersehn,
ein andermal noch mehr!
Dann hält wie stets, ihr habt doch Zeit,
viel neues schon für euch bereit,
schnippel-die-schnappel-die-Scher‘,
der Meister Nadelöhr!
Eckart Friedrichson vom Deutschen Theater, damals 26 Jahre alt, spielte diese Rolle bis zu seinem Tod 1976. Anfangs hieß die Sendung „Meister Nadelöhr erzählt Märchen“. Später wurde sie umbenannt in „Zu Besuch im Märchenland“. „Meister Nadelöhr“ erzählte Märchen, oder sang ein Lied.
Die eigentlichen Stars der Sendung waren aber die Puppen, vor allem der kleine freche Kobold „Pittiplatsch“, der gerne einen Streich spielte, aber auch „Schnatterinchen“, das eher brav und altklug daherkam. Ab und zu war auch der sowjetische Bruderteddy „Mischka“ zu Gast. Die Märchenlandfiguren tauchten aber auch immer wieder im Abendgruß auf.
Die Kinderstars – nichts fürs Taschentuch?
Die Märchenland-Puppen waren so populär, dass sie Mitte der Sechziger sogar zusammen mit dem Sandmännchen auf Taschentüchern auftauchten. Allerdings nur kurze Zeit. Denn wie die Illustrierte „Für Dich“ im März 1966 berichtet, hagelte es Beschwerden von Eltern, wie etwa: „Die bunten Bilder verleiten unsere Kinder, die Taschentücher wie ein Bilderbuch herumzureichen, und damit wandern natürlich Bakterien und Viren von einem zum anderen.“ Solcherlei Entrüstung führte zu Konsequenzen in der Produktion. Der Generaldirektor der VVB Konfektion Berlin (Vereinigung Volkseigener Betriebe) schrieb der Illustrierten: „Für die zentrale Kaufhandlung 2. Halbjahr 1966 habe ich die Erzeugnisgruppe angewiesen, generell Kindertaschentücher nur noch mit neutralen Mustern zuzulassen.“ So verschwanden Sandmännchen und Pittiplatsch aus den Hosentaschen der DDR-Kinder.
Im Reisefieber
„Meister Nadelöhr“ aus dem „Märchenland“ durfte sich vor dem Mauerbau auch schon mal aus Wien anlässlich des Friedenstreffens der Jugend und Studenten 1959 melden. Ab 1961 waren solche Ausflüge politisch nicht mehr gewollt. Dem „Sandmann“ erging es wie dem „Meister Nadelöhr“. Er ging auf Reisen, wenn es politisch passte. So durfte er sich in Japan oder auf Kuba zeigen, wenn Erich Honecker dort einen Staatsbesuch machte. Aber zu viele Reisen waren nicht gut, weil so das Fernweh bei den Kleinen geweckt wurde. „Mischka“ oder Trickfilme mit Märchen und Geschichten aus Osteuropa lenkten die Reiseträume wenigstens in die richtige Richtung.
Der Sonntagnachmittag gehörte Pitti, Schnatti und Mischka. Moderiert wurde die Sendung erst von Meister Nadelöhr (Eckart Friedrichson), dann von Fabian (Klaus-Peter Pleßow)