„Kuck in die Welt“ – Krahmer Puppen

Die von Hildegard Krahmer hergestellten kunstgewerblichen Puppen wurden unter dem Namen „Kuck in die Welt“ zu begehrtem Spielzeug und mussten den Vergleich mit Entwürfen bekannter Designer nicht scheuen. Hildegard Krahmer studierte nach dem Abitur in Rostock und München Philosophie und Germanistik. Nach ihrer Heirat 1936 arbeitete sie im Familienunternehmen der Schwiegereltern, einer Chemnitzer Metallwarenfabrik. Mit dem Tod des Ehemanns 1945 und der Enteignung der Firma ein Jahr später stand sie plötzlich mittellos da. Um sich und ihre Kinder ernähren zu können, fertigte und verkaufte Hildegard Krahmer im Dachgeschoss ihrer beschlagnahmten Villa kunstgewerbliche Gebrauchsgegenstände für den Haushalt. –Fehlendes Kinderspielzeug in der Nachkriegszeit regte sie zur Herstellung anfangs einfacher Stoffpuppen an. Ihre Vorstellung für die Gestaltung einer perfekten Puppe war jedoch ein Kopf aus Holz. Mit dem schnitzenden Handwerker Walter Wächtler aus Oederan, der ihrer Firma über 25 Jahre die Treue hielt, fand sie einen Fachmann dafür. 1947 wurde die „Krahmer-Puppe“ geboren mit einem kindlich gestalteten Kopf aus Lindenholz und der unverwechselbaren Stupsnase. Der Körper bestand weiterhin aus Stoff und wurde handgestopft. Die anfangs produzierten Puppen besaßen aufgemaltes Haar und einfache Baumwollkleidung. Auf der ersten Präsentation zur Leipziger Messe 1948 stieß gerade der von Hildegard Krahmer favorisierte Holzkopf auf Ablehnung. Dennoch behielt sie diese Materialien bei und vervollkommnete ihre Entwürfe. Das gemalte Haar wurde durch handgeknüpfte Echthaar- oder Mohairperücken ersetzt. Jede Puppe erhielt typgerechte Kleidung und ein Echtheitszertifikat. Durch die Handarbeit des Holzschnitzers und die individuelle Bemalung bekamen sie eigenen Charme und Charakter. Hildegard Krahmer verlagerte die Produktion vom heimischen Wohnzimmer in eine Werkstatt in ihrem Wohnhaus in Chemnitz, Nachbarinnen halfen beim Nähen. 1951 wurde Hildegard Krahmer als Holzspielzeugherstellermeisterin in die Handwerkerrolle der Handwerkskammer Chemnitz eingetragen. Die mit Gütezeichen und Auszeichnungen dekorierten Puppen wurden zu beliebten und in der DDR raren Spielwaren. 1955 Hildegard Krahmer erhielt die Anerkennung als Kunstschaffende des Handwerks. Im Juli 1956 wurde der Krahmer-Puppe das Prädikat „spiel gut“ durch den Arbeitsausschuss „Gutes Spielzeug“ in Ulm verliehen. Internationale Bekanntheit erlangte Hildegard Krahmer durch die Verleihung einer Ehrenurkunde auf der Weltausstellung in Brüssel 1958. Sie wurde nicht zuletzt wegen der Ähnlichkeit der Puppen zur „Käthe Kruse des Ostens“. Durch regelmäßige Präsentationen auf der Leipziger Messe fanden die handgefertigten Puppen Absatz in der ganzen Welt. In Spitzenzeiten verließen jährlich 1.500 Stück die Werkstatt. Der allgemeinen Verstaatlichung 1972 entging die Firma dadurch, dass sie nur zehn Mitarbeiter beschäftigte. Im Laufe der Jahre wandelte sich das Aussehen der Puppen nur wenig, die Wangen wurden runder, die Frisur und die Kleidung wechselten. Der typisch kindliche Gesichtsausdruck des Holzköpfchens und die aus Naturmaterialien hergestellte Kleidung blieben erhalten. – Hildegard Krahmer starb während einer Besuchsreise zur Familie ihres Sohns 1985 in Winnenden. Anschließend leitete ihre Tochter Eva den Betrieb bis zu ihrem eigenen Tod 1990. Ihre Schwiegertochter Marion, die ihre Ausbildung bis zur Meisterprüfung in der Familienfirma absolviert hatte und 1976 die DDR verlassen musste, führt das Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern in einer Werkstatt in Limbach-Oberfrohna bis heute fort.